Esstörungen

Magersucht - Bulimie - Esssucht

Die gemeinsame Grundlage aller Essstörungen ist eine grosse Schwierigkeit im Umgang mit Gefühlen, vor allem mit schmerzlichen oder solchen, die als verpönt gelten, die man „nicht haben sollte“. Die Empfindung von chronischem Hunger oder von drastischer Übersättigung hilft, Schmerz, Angst oder Trauer nicht zu spüren, störende innere Regungen wie Wut, Neid, Lust auf Selbstbestimmung und eigenes Wachstum zu unterdrücken. Die alles beherrschende Beschäftigung mit dem Essen bewahrt Betroffene auch davor, sich gedanklich schwierigen Themen zuzuwenden: Aufgaben oder Herausforderungen, denen sie sich nicht gewachsen fühlen, Auseinandersetzungen, die eine zumindest scheinbare Harmonie, das eigene Weltbild oder das bisher gepflegte Selbstbild erschüttern könnten.

 Beim Klären in der Therapie geht es darum, diese Hintergründe und Zusammenhänge sichtbar und – durch Anregung zur Selbstbeobachtung – erfahrbar und damit das gestörte Essverhalten verständlich zu machen.

 Zum Zwecke der Neuausrichtung werden die verschütteten Gefühle, die verleugneten Wünsche und Bedürfnisse im Gespräch freigelegt und, wo nötig, neu bewertet. Die Erfahrung, dass wir zum Beispiel Schmerz wahrnehmen und ertragen können, ohne daran zu zerbrechen, und dass dies eine Voraussetzung ist dafür, dass wir eine schmerzliche Erfahrung neu betrachten, verletzende Bedingungen verändern, uns aus schädigenden Verhältnissen lösen können, wirkt befreiend. Die Entdeckung, dass mehr Selbstbestimmung nicht nur uns selbst, sondern auch unseren Mitmenschen gut tut, weil wir dadurch zu ebenbürtigen, ernstzunehmenden Partnern werden, macht Mut. Das Erlebnis, dass wir Wut, Zorn, Ärger kanalisieren und für konstruktive Auseinandersetzungen nutzen können, in denen das Gegenüber respektiert und seine Gefühle, Wünsche und Ziele ebenso berücksichtigt werden wie unsere eigenen, stärkt unser Selbstvertrauen ebenso wie das Vertrauen in die anderen.

In der Phase der Veränderung lernen die Betroffenen sich anders, wirksamer, angemessener zu verhalten. Sie lernen, sich so mitzuteilen dass sie verstanden werden, ohne zu verletzen. Sie lernen, anderen Grenzen zu setzen, und sie lernen, ihre Fähigkeiten, ihr Wissen und Können einzusetzen, um selbstgewählte Ziele zu erreichen; wenn nötig erwerben sie sich das erforderliche Wissen und Können, sie fangen an zu wagen, sich auf eine Herausforderung einzulassen. Sie entdecken die Möglichkeit eines liebevollen und achtsamen Umgangs mit sich selbst.

Auf der Grundlage eines erfüllteren und lebendigeren Daseins lernen sie auch, dass wir weder alles im Griff haben können noch müssen, und lernen ganz allmählich, die naturhaften Prozesse des Wachsens und Vergehens und das so Sein, wie wir sind, anzunehmen.